Das Ziel der Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit als Auftrag der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen ist in §22 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VIII verankert. Dies schließt (Abs.3) „die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen“.
Das Sozialgesetzbuch VIII legt des weiteren Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen als durchgehendes Handlungsprinzip der Kinder- und Jugendhilfe fest. Die Erteilung der Betriebserlaubnis für Kindertagesstätten hat gemäß § 45 Abs. 2, Ziffer 3 als Voraussetzung, dass zur „Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Einrichtung geeignete Verfahren der Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden.“
Die Träger von Einrichtungen haben gemäß § 8b SGB VIII den Anspruch auf „Beratung bei der Entwicklung und Anwendung fachlicher Handlungsleitlinien (…) zu Verfahren der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an strukturellen Entscheidungen in der Einrichtung sowie zu Beschwerdeverfahren in persönlichen Angelegenheiten.“ Dieser Anspruch richtet sich an den überörtlichen Träger der Jugendhilfe als Betriebserlaubnis erteilende Behörde. Vor diesem Hintergrund hat schon 2013 die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter das Empfehlungspapier „Sicherung der Rechte von Kindern als Qualitätsmerkmal von Kindertageseinrichtungen“ herausgegeben. Das Papier macht deutlich, dass es im Wesentlichen darum geht, „dass Kinder sich an den Aufgaben des Alltags und deren Verrichtung beteiligen können und als Gestalter ihres eigenen Lebens Selbstwirksamkeit erfahren.“ (bagljae 2013, S. 3)
Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitserfahrungen zählen neben Optimismus und sozialer Unterstützung zu den zentralen Resilienzfaktoren, die dazu beitragen, dass Kinder eine seelische Widerstandskraft entwickeln mit der Fähigkeit, nach Verlusterfahrungen und Negativerlebnissen wieder nach vorn zu blicken, gesund zu bleiben und sich weiterzuentwickeln. Demokratisches Miteinander mit dem Schutz vor Diskriminierung und der Anerkennung von Menschenrechten und Kinderrechten ist in der frühen Kindheit letztlich auch ein Beitrag zum Aufwachsen in seelischer Gesundheit.
Damit ein demokratisches Miteinander in der Kita gelingt, ist eine Kinder- und Menschenrechtsbildung der pädagogischen Fachkräfte wichtig. Die Stärkung des Bewusstseins für die zentralen Prinzipien wie Diskriminierungsschutz, Achtung der Menschenwürde, Inklusion und Partizipation helfen dabei, die Vorbildfunktion in der Kita zu erfüllen und das demokratische werte- und rechtebasierte Miteinander erfahrbar zu machen. Dies ist keine zusätzliche Aufgabe, die auf Kindertagesstätten zukommt, sondern die Grundlage für das Gestalten von Beziehungen und Interaktion (vgl. Informationspapier des Deutschen Instituts für Menschenrechte „Menschenrechte von Anfang an – Die Bedeutung frühkindlicher Menschenrechtsbildung).
Informationen zu den Kinderrechten und Projektförderungen sind über die landeseigene Kinderrechteseite zu erhalten.
Projekte wie „BildungsBande – mit Kinderrechten in die Zukunft“ zeigen Umsetzungswege in Kooperation von Kita und Grundschule. Die Handreichung „Kinderrechte in Peer-to-Peer-Projekten" basiert auf den Erfahrungen aus diesem Modellprojekt, das 2016 bis 2017 an fünf Modellstandorten in Rheinland-Pfalz umgesetzt wurde. Das Projekt wurde vom Ministerium für Bildung und der Zukunftsstiftung Bildung in der GLS Treuhand e.V. gefördert und vom Verein MAKISTA – Bildung für Kinderechte und Demokratie umgesetzt.
Die Bildungs- und Erziehungsempfehlungen für Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz sind von den kommunalen Spitzenverbänden, der katholischen und evangelischen Kirche sowie der LIGA der Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege und dem Landeselternausschuss gemeinsam mit dem Ministerium für Bildung erarbeitet worden. Sie definieren in verschiedenen Bildungsbereichen Auftrag und Ziel der Arbeit in Kitas.
Im Bildungsbereich „Gestaltung von Gemeinschaft und Beziehungen“ wird die Kita dargestellt, als Erfahrungsraum,
- in dem Vielfalt als Bereicherung erlebt wird,
- an dem Toleranz und Respekt im täglichen Umgang erlebbar wird,
- in dem Demokratie im Sinne eines wechselseitigen Austauschs von Meinung erlebbar wird und
Kinder sich beispielsweise im Rahmen von Kinderkonferenzen an der Gestaltung des Kita-Alltags beteiligen können.
Im Bildungsbereich „Interkulturelles und interreligiöses Lernen“ werden u. a. die Ziele formuliert,
- „das Zusammenleben mit Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Herkunft als bereichernd und selbstverständlich zu erleben und entsprechend wertzuschätzen.“
Im Bildungsbereich „Sprache“ geht es um die Ziele und Wege
- alle geeigneten Situationen im Alltag zu nutzen, „Kinder zum Sprechen anzuregen, sie dazu zu ermuntern, sich mit ihren Wünschen, Gefühlen und Erlebnissen mitzuteilen“,
- „vielfältiges Anregen der sprachlichen Aktivitäten des Kindes durch den Dialog über Themen und Sachverhalte, die das Interesse der Kinder“ zu wecken und
- „den respektvollen Umgang mit anderen Sprachen, Sprachgewohnheiten und Dialekten und die Wertschätzung der unterschiedlichen Erstsprachen der Kinder und Familien.“
Im Bildungsbereich „Selbstständiges Lernen und Partizipation von Kindern“ wird dargelegt,
- dass Kinder durch die Partizipation im Alltag der Kindertagesstätte zentrale Prinzipien von Demokratie und Partizipation erleben. Dies setze eine Haltung von Erzieherinnen und Erziehern voraus, die sich in alltäglichen Handlungen und in besonderen Methoden, wie z. B. der Kinderkonferenz widerspiegeln.
Wie sich „Partizipation“ in der Kita quantitativ entfalten soll, wird in den „Empfehlungen zur Qualität der Erziehung, Bildung und Betreuung in Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz“ im Kapitel „Partizipation“ (2.6) beschrieben:
- „Die Einrichtung verfügt über angemessene Verfahren der Beteiligung aller Kinder mit unterschiedlichen Ausdrucksformen.
- Es gibt gemeinsam erarbeitete Regeln, Rechte und Pflichten, die für das einzelne Kind, aber auch für das Zusammenleben in der Gruppe gelten, die allen bekannt sind von allen gelebt werden.
- Es sind verstetigte Formen der Beteiligung für Kinder, methodisch der jeweiligen Entwicklung angepasst, vorhanden (z. B. Kinderkonferenz).
- Rückmeldungen der Kinder werden erfasst und Zufriedenheit ermittelt.
- Die Ergebnisse erden dokumentiert, ausgewertet und in der pädagogischen Arbeit berücksichtigt.“
Als Kriterien für die Umsetzung von Partizipation gelten danach:
- „Jedes Kind hat das Recht auf seine eigene Meinung.
- Das Kind wird als eigenständige Persönlichkeit respektiert,
- Kinder erleben demokratische Strukturen, gestalten diese mit und übernehmen zunehmend Verantwortung.“
Das im August 2019 vom Landtag beschlossene rheinland-pfälzische KiTa-Zukunftsgesetz formuliert erstmals ausdrücklich den Auftrag zur Demokratieerziehung und zur Beachtung der Kinderrechte.
In § 3 Abs. 1 heißt es zu den Grundsätzen der Erziehung, Bildung und Betreuung:
[…] Die Förderung soll die individuellen Bedürfnisse des Kindes und sein Lebensumfeld berücksichtigen und ein Leben in einer demokratischen Gesellschaft erfahrbar machen, die für ihr Bestehen die aktive, verantwortungsbewusste und gleichberechtigte Teilhabe ihrer Mitglieder im Geiste der Verständigung, des Friedens und der Toleranz benötigt.
Die Erwähnung der Rechte von Kindern, die durch geeignete Verfahren der Beteiligung und Möglichkeit der Beschwerde zu sichern sind, ist über das KiTa-Zukunftsgesetz erstmals verankert.
In § 3 Abs. 2 widmet sich dem Partizipationsrecht und der Beschwerdemöglichkeit:
Die Meinung und der Wille des Kindes sind bei der Gestaltung des Alltags in den Tageseinrichtungen zu berücksichtigen und die Kinder alters- und entwicklungsgemäß zu beteiligen. Zum Wohl des Kindes und zur Sicherung seiner Rechte sollen in den Tageseinrichtungen geeignete Verfahren der Beteiligung und die Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten Anwendung finden.
In dem im Entwurf vorgesehenen Beirat in Tageseinrichtungen, welcher der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure der Tageseinrichtungen dient, ist die Perspektive der Kinder ausdrücklich als einzubringender Aspekt hervorgehoben. Beim Treffen der Vertreterinnen oder Vertreter des Trägers, der Leitung, der pädagogischen Fachkräfte und Mitglieder des Elternausschusses vertritt eine zusätzliche pädagogische Fachkraft die Perspektive der Kinder.
§ 7 Abs. 1 und 2 sichert die Einbeziehung der Perspektive der Kinder im Beirat:
(1) In jeder Tageseinrichtung ist ein Beirat einzurichten. Darin arbeiten der Träger der Tageseinrichtung, die Leitung der Tageseinrichtung, die pädagogischen Fachkräfte und die Eltern zusammen. Der Beirat beschließt Empfehlungen unter Berücksichtigung der im pädagogischen Alltag gewonnenen Perspektive der Kinder in grundsätzlichen Angelegenheiten, die die strukturellen Grundlagen einer Tageseinrichtung betreffen.
(2) Der Beirat ist zu gleichen Teilen durch Vertreterinnen oder Vertreter des Trägers der Tageseinrichtung, der Leitung der Tageseinrichtung, der pädagogischen Fachkräfte und Mitglieder des Elternausschusses zu besetzen. Eine zusätzliche pädagogische Fachkraft bringt die in der pädagogischen Arbeit gewonnene Perspektive der Kinder ein.
Dokumente für RLP
Bildungs- und Erziehungsempfehlungen + Qualitätsempfehlungen pdf-Datei, nicht ausdruckbar