Sozialraumbudget
Wozu dient das Sozialraumbudget?
Ein wesentliches Ziel des neuen Kita-Gesetzes ist es, überall im Land für gleich gute Standards in der Kindertagesbetreuung zu sorgen. Denn das Land hat nach § 82 Abs. 3 SGB VIII den gesetzlichen Auftrag, auf einen gleichmäßigen Ausbau der Einrichtungen und Angebote hinzuwirken. In Rheinland-Pfalz soll es gleich gute frühkindliche Bildung geben, ob in der Stadt oder auf dem Land, ob in Andernach oder Zweibrücken.
Alle Tageseinrichtungen müssen dabei den pädagogischen Alltag auf die jeweiligen Lebenssituationen und Lernbedürfnisse der Kinder ausrichten, die sich auch aus den Bedingungen des Sozialraums einer Kita ergeben. Dabei sind die Herausforderungen nicht in allen Kitas gleich. Manche Tageseinrichtungen sind daher in besonderem Maße gefordert, Kindern eine intensivere bedarfsgerechte Förderung zukommen zu lassen. Um diesen Bedarfen gerecht zu werden, braucht es einen differenzierten, zusätzlichen Einsatz von Personal.
Diese Zielsetzung wird grundsätzlich schon heute verfolgt. So gibt es bereits interkulturelle Fachkräfte oder beispielweise die Programme „Kita!Plus: Kita im Sozialraum“ und „Lerne die Sprache des Nachbarn“. Sie sind bisher allerdings in einem Projektstatus mit jährlicher Begrenzung. Die Landesregierung hat die Mittel für diese Programme in das Sozialraumbudget nach § 25 Abs. 5 des neuen Gesetzes überführt und ermöglicht damit – eine anteilige Regelförderung. Diese zusätzliche Zuweisung des Landes dient der Deckung personeller Bedarfe, die in Tageseinrichtungen aufgrund ihres Sozialraums oder anderer besonderer Bedarfe entstehen. Die personelle Verstärkung dieser Kitas muss den Kitas zugeordnet werden, in denen sie wirksam sind – auch wenn Personalstellen einrichtungs- oder trägerübergreifend eingesetzt werden.
Wer steuert den Prozess für die Verteilung des Sozialraumbudgets?
Der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt) sieht ein zweckdienliches Verfahren vor, um eine nachvollziehbare Beschreibung des Sozialraums und eine Konzeption für den Mitteleinsatz des Sozialraumbudgets zu erarbeiten. Er muss zukünftig also eine Bedarfsplanung erstellen, aus der hervorgeht, wo in seinem Zuständigkeitsbereich welche Herausforderungen bestehen und was benötigt wird, um die Kinder dort entsprechend zu fördern. Das heute bestehende Angebot an Spiel- und Lernstuben kann dabei in die konzeptionelle Ausgestaltung integriert werden.
In der Konzeption ist festgehalten, welche Kriterien der Mittelverteilung zugrunde gelegt werden, und welche inhaltlichen und konzeptionellen Anforderungen mit dem Auftrag verbunden sind. Es müssen Indikatoren für die Auswahl der zu fördernden Tageseinrichtungen festlegt werden. Indikatoren sind sowohl Zahlen, Daten und Fakten, die die soziale Lage und somit den Förderbedarf der Kinder betreffen als auch solche, die sich auf Wohnen und Infrastruktur beziehen (z. B. Daten von Sozialraumanalysen, Jugendhilfeplanung, Schuleingangsuntersuchungen, Erreichbarkeit von Beratungs- und Familienbildungsangeboten, Anteil an Sozialwohnungen, Wohnfläche pro Einwohner). Ein Maßstab für die Definition von Benachteiligung ergibt sich durch die Relation der Durchschnittswerte auf Jugendamtsebene. Schließlich muss festgelegt werden, welches Personal und in welchem Umfang es wo benötigt wird. Dabei ist es so, dass das Personal innerhalb eines Jugendamtsbezirks sowohl in einzelnen Tageseinrichtungen als auch einrichtungs- und trägerübergreifend eingesetzt werden kann, also beispielsweise eine Vollzeitkraft zu 100 Prozent in einer, aber auch zu je 50 Prozent in zwei Einrichtungen tätig sein kann. Diese konzeptionelle Grundlage für die Weiterentwicklung des Sozialraums muss dann durch den jeweiligen Jugendhilfeausschuss verabschiedet werden. Ist dies geschehen, so kann das jeweilige Personal eingestellt werden. Durch das Volumen des Sozialraumbudgets und die vorgesehene Dynamisierung haben die Jugendämter eine feste Planungsgrundlage. Das bedeutet: Es müssen keine befristeten Verträge abgeschlossen werden. In der Fachkräftevereinbarung ist außerdem festgelegt, welche Qualifizierung verschiedene Fachkräfte wie etwa Französischsprachkräfte oder interkulturelle Kräfte erfüllen müssen. Wie bei allen Fachkräften und Mitarbeitenden in den Einrichtungen wird auch die Verwaltung dieser zusätzlichen Stellen ganz einfach über das neue webbasierte Administrations- und Monitoringsystem erfolgen können
Wofür kann das Sozialraumbudget konkret eingesetzt werden?
Das Sozialraumbudget folgt dem Leitbild des sozialen Ausgleichs. Zum einen kann es für Kita-Sozialarbeit genutzt werden und konkret z.B. dafür:
- Die niedrigschwellige Beratung und Unterstützung von Eltern zu verbessern,
- Die Vernetzung der Familien voranzubringen, um das Selbsthilfepotenzial zu stärken
- Vertrauensbildende Maßnahmen und die Unterstützung beim Umgang mit Ämtern und Anträgen, die der Förderung der Kinder dienen, zu fördern
- Kooperationsstrukturen der Kitas auf- und auszubauen sowie zu festigen sowie Kitas mit Institutionen des Sozialraums und der Hilfestruktur zu vernetzen
- Die Tageseinrichtung als Kommunikations- und Nachbarschaftszentrum weiterzuentwickeln, durch Maßnahmen, die der Kommunikation und Zusammenarbeit dienen und Familien bei der Entwicklungsförderung ihrer Kinder unterstützen
Neben dem Schwerpunkt Kita-Sozialarbeit kann das Sozialraumbudget für weiteres Personal genutzt werden. Zum Beispiel, wenn Kitas im grenznahen Raum eine Französischsprachkraft einsetzen möchten, oder wenn Kitas mit einem hohen Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund Fachkräfte mit interkultureller Kompetenz benötigen. Nicht zuletzt können besondere personelle Bedarfe damit gedeckt werden, z. B. wenn bisher in Spiel- und Lernstuben eine Leitungsfreistellung notwendig war und der Bedarf auch weiterhin aufgrund des Sozialraums notwendig ist. Weiterhin geht es um Bedarfe, die sich aufgrund von Besonderheiten der Betriebserlaubnis einer Einrichtung ergeben (z. B. Waldkita oder geteilte Gebäude).
Muss neben dem regulären inklusiven Personalschlüssel in Kitas ein individueller behinderungsbedingter Mehrbedarf abgedeckt werden, so können die Eltern nach § 75 SGB IX (Teilhabe an Bildung) bzw. § 76 SGB IX (Leistungen zur sozialen Teilhabe) unterstützende Leistungen beantragen. Nach § 75 Absatz 1 SGB IX sind zur Teilhabe an Bildung unterstützende Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, damit Kinder mit Behinderungen Bildungsangebote gleichberechtigt wahrnehmen können. § 76 SGB IX regelt die Leistungen zur sozialen Teilhabe.
Mit dem BTHG und dem Ausführungsgesetz zum BTHG (AGBTHG) sind die örtlichen Träger der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe gefordert, ihre Planungen und Leistungen abzustimmen. Denkbar wird damit ein einheitlicher Ansatz, der es ermöglicht, durch das Zusammenwirken beider Systeme strukturelle Vorkehrungen für die Aufnahme von Kindern mit Behinderungen in Tageseinrichtungen zu treffen, z.B. könnte über die Eingliederungshilfe und in Abstimmung mit der Jugendhilfe erzieherisches Personal zur Abdeckung eines behinderungsbedingten Mehrbedarfs aufgestockt werden, das für mehrere Kinder zuständig ist.
Jugendamt und Sozialamt sollten gemeinsam mit der Kindertageseinrichtung und der Familie überlegen, wie die Bedingungen gestaltet sein müssen, dass das Kind die Kindertageseinrichtung besuchen kann.
Wie hoch ist das Sozialraumbudget und wie wird es zugeteilt?
Das Sozialraumbudget beträgt 50 Millionen Euro pro Jahr und wächst ab Inkrafttreten am 1. Juli 2021 jährlich um 2,5 Prozent. Es setzt sich zusammen aus den bisherigen Mitteln für interkulturelle Fachkräfte (21 Millionen Euro), für das Programm „Kita!Plus: Kita im Sozialraum“ (3,9 Millionen Euro), für das Programm „Lerne die Sprache des Nachbarn“ (2,9 Millionen Euro) und aus 22,2 Millionen Euro neuen Mitteln (ab 2021 dynamisiert zzgl. 1,3 Millionen Euro).
Diese 50 Millionen Euro mit Dynamisierung werden den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zugeteilt. Die Zuteilung bemisst sich dabei zu 40 Prozent nach dem Anteil der Kinder unter sieben Jahren und zu 60 Prozent nach dem Anteil der Empfänger von Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch im Alter von unter sieben Jahren im jeweiligen Zuständigkeitsgebiet. So wird abgebildet, dass die Jugendämter mehr Geld zur Verfügung haben, bei denen die sozialräumlichen Herausforderungen größer sind. Die Verteilung wird erstmals 2027 und dann alle fünf Jahre überprüft. Mit dem Geld können die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bis zu 60 Prozent der aufgewendeten Personalkosten finanzieren.
(Stand: Januar 2021 )
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